Vorwiegend ist es dann doch aber Freude, dass es „nur“ noch
fünf Monate sind. Mir geht es gut hier, ich bin glücklich, aber ich bin nicht
zufrieden. Eine gewisse Aufbruchsstimmung macht sich in mir breit. Ich will
neue Dinge erleben, einen neuen Lebensabschnitt beginnen, neue Leute
kennenlernen, auf neue Herausforderungen treffen und vor allem: Ich will wieder
mehr lernen. Nicht nur das ein oder andere Phänomen der deutschen Grammatik
verstehen, welches ich für meine Arbeit benötige. Oder die französische
Sprache, passiv im Alltag und wöchentlich eineinhalb Stunden im Unterricht. Ich
will wieder richtig viel lernen, aus vielen verschiedenen Fachgebieten, Themen,
die mir völlig neu sind, viel Stoff innerhalb weniger Zeit verarbeiten. Mir
fehlt das alles. Aber auch einfach, das Gefühl zu haben, nicht zu stagnieren.
Im Leben voranzukommen. Mich persönlich weiterzuentwickeln.
Trotzdem bin ich froh, mich für dieses Jahr hier entschieden
zu haben. Auch diese Station in meinem Leben war wiederum wichtig, um nicht zu
stagnieren, um voranzukommen, um mich persönlich weiterzuentwickeln. Und ich
habe mich auf jeden Fall persönlich weiterentwickelt. Aber auch einfach der
Leute wegen hat sich allemal gelohnt. Und wegen der Reisen. Und der Stadt. Und
so einigen Erlebnissen.
Die Arbeit hier ist interessanter als ich gedacht habe.
Außer der Arbeit in der Cafeteria sind alle unsere Hauptaufgaben Dinge, von
denen wir noch nichts wussten, als wir uns entschieden haben, die Stelle hier
anzunehmen. Gerade auf dem Zwischenseminar ist mir dann klargeworden, dass wir
echt meiner Ansicht nach eines der besten Projekte überhaupt haben. Obwohl ich
trotzdem noch manchen Projekten hinterhertrauere, auf die ich mich damals
beworben habe, die ich nicht bekommen habe, bin ich wirklich zufrieden mit der
Wahl, die ich getroffen habe.
Was die französische Sprache betrifft, so ist es schwierig,
Fortschritte festzustellen. Gerade, wenn man während der gesamten Schulzeit
sehr viele Stunden wöchentlich konzentriert an der Sprache arbeitet, dauernd
mit ihr konfrontiert ist, schwierige Lektüren und komplexe Sachverhalte auf
eben dieser Fremdsprache behandelt, und dann, plötzlich und abrupt, erst
mehrere Monate gar keinen Kontakt mehr zu ihr pflegt und sie schließlich nur
noch auf einem einfacheren Niveau mündlich gebraucht. Da ist es sicher
motivierender, wenn man Französisch vor seinem Auslandsjahr noch kaum konnte,
und hier große Fortschritte merkt. Ich hatte lange das Gefühl, zwar neue Wörter
der Umgangssprache dazuzulernen, aber dafür vieles von dem zu verlernen, was
ich in der Schule noch konnte. Das ist auch nicht ganz falsch. Ich habe mir
einfach nicht genug Zeit dafür genommen, aktiv am Französischen zu arbeiten.
Dennoch: Mittlerweile merke ich, wie viel sich doch schon geändert hat. Sei es,
spontaner reagieren zu können, im Fernsehen mehr zu verstehen oder Subjunktiv
und Futur 1 besser zu verwenden. Trotzdem ist noch Luft nach oben, und da ist
sie dann wieder, die Motivation, die kommenden fünf Monate noch einmal so
richtig gut zu nutzen. Um noch viel mehr Französisch zu lernen, um noch mehr zu
reisen, mehr von Lille zu entdecken, auch auf Arbeit mehr Projekte umzusetzen,
und herauszufinden, was ich nach dem Jahr machen will. Wegen all diesen Dingen
bin ich dann doch froh, ein Jahr hier zu sein und nicht nur ein halbes, und
freue mich auf weitere fünf Monate.