Wenn ich darüber nachdenke, dass Bekannte von mir jetzt in
Mexiko, Südafrika oder der Mongolei sind, kommt mir Frankreich ganz gewöhnlich
vor. Eigentlich erleben wir hier aber recht oft kleine Kulturschockmomente:
1. Die meinen das mit den „bises“ hier wirklich alle ernst. Hier in Lille zwei bises und zuerst die rechte Wange. Selbst wenn jemand zu einer großen Runde hinzukommt, wird erst jedem einzeln la bise gemacht. Unheimlich zeitintensiv. Außerdem seltsam, dass so eine enge Begrüßung auch angebracht ist, wenn man einer noch fremden Person vorgestellt wird. Aber: Jungs unter sich geben sich natürlich nur die Hand…
2. Ich zitiere: „Wenn grün ist, gehen wir rüber, und wenn
rot ist, gehen wir auch rüber.“ Eigentlich gucken sie nicht mal auf die Ampel,
sondern nur ob Autos kommen.
3. Ich habe hier noch keinen Franzosen kennengelernt, der zumindest so tut als würde er sich beeilen.
Im Hintergrund ist übrigens der Bahnhof Lille-Flandres zu
sehen, quasi der Hauptbahnhof.
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3. Ich habe hier noch keinen Franzosen kennengelernt, der zumindest so tut als würde er sich beeilen.
Eine kleine Anekdote zur Veranschaulichung der ersten drei
Punkte: Auf dem Weg in die Innenstadt komme ich an eine rote Ampel an einer
befahrenen Straße. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sehe ich einen
Bekannten. Er geht über rot. Ich gehe über rot. Er bleibt mitten auf der
befahrenen Straße stehen, macht mir la bise, fragt mich „Ça va?“, wartet meine
Gegenfrage ab und läuft erst dann weiter.
4. Die französische Organisation ist gar nicht so schlimm
wie ich dachte. Sie ist noch viel schlimmer.
5. Es gibt keine Drogeriemärkte. Zur Wahl stehen Supermarkt
und Apotheke. Die Apotheken sind zwar teilweise groß wie Drogeriemärkte, aber eben teuer wie Apotheken.
Ein Glück wird bei der Mülltrennung mit hilfreichen Erklärungen weitergeholfen. |
7. Sonntags haben keine Bäckereien offen. Und montags hat auch ziemlich viel geschlossen, selbst Banken.
8. Mülltrennung: In jeder Gemeinde anders gehandhabt und
immer seltsam. Eigentlich ist es aber auch nicht so wichtig,
weil es die Franzosen selbst auch nicht verstanden haben. Plastikflaschen muss man auch schweren Herzens einfach in den
gewöhnlichen Müll werfen.
9. Taschenkontrollen. Überall. Immer. Und so viel Militär… Daran werde ich mich nie gewöhnen.
10. Getrennt zahlen ist unmöglich. Wenn man getrennt zahlen will, wird einfach die Gesamtsumme durch die Anzahl der Leute geteilt.
11. Es gibt keine wahren Döner. Es gibt den französischen Kebab, in Brötchen statt Fladenbrot, mit viel zu viel Fleisch und seltsamen Soßen, aber auch Ketchup und Mayo. Das ist wirklich kein Vergleich.
11. Es gibt keine wahren Döner. Es gibt den französischen Kebab, in Brötchen statt Fladenbrot, mit viel zu viel Fleisch und seltsamen Soßen, aber auch Ketchup und Mayo. Das ist wirklich kein Vergleich.
Dieser "Kebab" enthielt ausnahmsweise wirklich
viel Salat, darunter Karotte und ich habe eine Pfeffersoße gewählt, was mir die
Geeignetste von allen Soßen schien.
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12. Man kauft etwas, bedankt sich und die Verkäuferin antwortet mit "S'il vous plaît". Ich habe das vorher noch nie gehört und zwei Studenten, die ursprünglich aus Paris kommen, haben meine Verwunderung gut verstanden, denn das wird scheinbar tatsächlich nur hier gesagt.
13. Auf einmal habe ich keine 36 mehr, sondern eine 38, und auch bei allen anderen Kleidergrößen muss ich mich umstellen. Es fühlt sich schon komisch an, zwei oder drei Größen größer zu kaufen, obwohl es ja die gleichen Maße sind. Cool ist allerdings, dass es auch kleinere Größen gibt als in Deutschland. So gibt es beispielsweise die Unterbrustgröße 65 problemlos in allen Läden zu kaufen und auch nicht nur für Cup A.
14. Beim Einparken an die Autos vor und hinter sich zu stoßen scheint überhaupt kein Ding zu sein. Generell folgt Autofahren hier anderen Regeln. Oder eher keinen.
15. Ich muss meinen Namen nicht buchstabieren! Die Menschen hier wissen sofort, wie man ihn schreibt, und sprechen ihn schöner aus als ich. Jetzt fühle ich mich sogar angesprochen, wenn ich beim Arzt aufgerufen werde!
Ich dachte immer, ich sei nicht gerade "typisch deutsch". Aber hier fühle ich mich in so einigen Situationen so unglaublich deutsch, so spießig, kleinkariert, unspontan.
Ich dachte immer, ich sei nicht gerade "typisch deutsch". Aber hier fühle ich mich in so einigen Situationen so unglaublich deutsch, so spießig, kleinkariert, unspontan.